Die geringe Infektiosität von HIV-Patienten, die durch eine erfolgreiche antiretrovirale Therapie (ART) erreicht werden kann, ist eine gute Nachricht für Betroffene und für die Gesellschaft insgesamt. Das Wissen um diese geringe Ansteckungsmöglichkeit kann Menschen mit HIV in mehrerer Hinsicht entlasten, z.B. in ihrer angstfrei gelebten Sexualität oder dem Wunsch nach Kindern. Die besonderen Bedürfnisse von HIV-Betroffenen müssen ernst genommen werden. Insbesondere die individuellen seelischen Nöte und Ängste vor Offenlegung der Infektion gegenüber Sexualpartnern und der Öffentlichkeit müssen in der Diskussion um die Informationspflicht über HIV ausdrücklich berücksichtigt werden.

Es stehen heute verschiedene Möglichkeiten zum eigenverantwortlichen Schutz vor einer HIVInfektion zur Verfügung. Ein breites niedrigschwelliges Angebot zur HIV-Testung stellt eine wichtige Maßnahme der HIV-Prävention dar. Die HIV-Testung wird allerdings nur dann
angenommen, wenn sie ohne Befürchtung von gesellschaftlichen Sanktionen bei positivem
Testergebnis angeboten wird. Wer von seiner Infektion weiß, kann sich und andere besser schützen und persönlich von einer Behandlung profitieren. Er darf aber keinesfalls stigmatisiert und diskriminiert werden.

Das Übertragungsrisiko kann durch die Verwendung von Kondomen und die Vermeidung
hochriskanter Sexualpraktiken erfolgreich vermindert („safer sex“) werden. Auch durch die
erfolgreiche Unterdrückung der Virusvermehrung mittels wirksamer antiretroviraler Therapie wird die Übertragung von HIV deutlich reduziert. Schließlich kann in Ausnahmefällen nach einem Hochrisikokontakt durch eine rechtzeitige prophylaktische Therapie die Infektion zumeist noch verhindert werden. Die gemeinsame Nutzung dieser Präventionsmaßnahmen bietet einen weitgehenden Schutz vor einer sexuellen HIV-Übertragung.

Die DAIG hofft, dass künftig der zunehmende Einsatz erfolgreicher HIV-Therapien zu einer
Abnahme der Neuinfektionsraten beiträgt. Sie weist jedoch darauf hin, dass diese Annahme
überwiegend auf Modellrechnungen beruht und für den einzelnen Menschen weiterhin ein fassbares Risiko der HIV-Infektion besteht. Darüber hinaus hängt der präventive Effekt der antiretroviralen Therapie von einer konsequenten Einnahme der Medikamente ab. Die Infektiosität kann bei Therapieunterbrechung, Resistenzentwicklung oder begleitenden Geschlechtserkrankungen unbemerkt rasch ansteigen und dadurch zu einer Fehleinschätzung des Übertragungsrisikos führen.

Zusammenfassend befürwortet die DAIG eine aufrichtige wechselseitige Information und Diskussion über eine eventuelle oder tatsächliche HIV-Infektion durch gemeinsam verantwortungsbewusst handelnde Sexualpartner. Diese offene Kommunikation der Sexualpartner führt zu einem Konsens über die zu treffenden Präventionsmaßnahmen für HIV und andere sexuell übertragbare Erkrankungen. Eine solche gleichberechtigte Entscheidung liegt im Interesse beider Partner und beugt jedem unterstellten oder realen kriminellen Charakter der HIV-Übertragung durch einen sexuellen Kontakt vor. In Abwägung der bezifferbaren Restrisiken der einzelnen beschriebenen Präventionsmaßnahmen befürwortet und empfiehlt die DAIG auch in Situationen einer effektiven HIV-Therapie den konsequenten Gebrauch von Kondomen, um das Risiko einer Übertragung im Einzelfall so weit wie möglich zu verringern.

Aus Sicht der DAIG lässt sich das Problem der HIV-Übertragung nicht strafrechtlich lösen. HIVPrävention kann nur in einer Gesellschaft erfolgreich sein, in der Menschen mit HIV und ihre Partner mit ihren besonderen Bedürfnissen und Ängsten akzeptiert und unterstützt werden. Die Deutsche AIDS-Gesellschaft wird sich auf dieser Basis weiterhin für eine erfolgreiche HIV-Prävention einsetzen.


Für weitere Information kontaktieren Sie bitte:

Prof. Dr. med. Jürgen Rockstroh
Deutsche AIDS-Gesellschaft e.V. (DAIG)
Med. Universitätsklinik I
Immunologische-Ambulanz
Sigmund-Freud-Str. 25
53105 Bonn
www.daignet.de
Tel.: +49 (228) 287 11219
Handy: +49 171 6575969
Email: Juergen.Rockstroh@ukb.uni-bonn.de

Die Deutsche AIDS-Gesellschaft (DAIG) ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft. Sie fördert die nichtkommerzielle und universitätsnahe Forschung zur Optimierung der HIV-Therapie, den wissenschaftlichen Austausch und engagieren sich in Projekten zur HIV-Prävention. Handlungsleitend sind die effektive Vermeidung von Neuinfektionen und die längstmögliche Lebensdauer bei höchstmöglicher Lebensqualität für die Menschen, die mit HIV und AIDS leben.

Download Pressemitteilung vom 23.04.09
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